Sie sieht ähnlich aus wie eine Gitarre und ist als Instrument der Volksmusik im Vorderen Orient fast genau so populär: die Oud. Tischler-Azubi Jaoutat aus Damaskus zeigte seinen Kollegen im ÜBL-Kurs Anfang des Jahres ein Werkstück, das sein Vater gebaut hat.

 

Aus Holz lässt sich viel machen – vom praktischen Möbelstück für den Hausgebrauch bis hin zum Kunstwerk. Die meisten Azubis im Tischler-Handwerk geben als Grund für ihre Berufswahl an, dass sie einfach gern mit diesem Werkstoff arbeiten. Er fasst sich gut an, hat eine interessante Optik und klingt auch irgendwie gut.

In der überbetrieblichen Lehrwerkstatt der Tischler-Innung Mönchengladbach/Rheydt ist Ausbildungsmeister Lars Bürschgens immer auf der Suche nach Werkstücken, mit denen er die Lehrlinge neugierig machen kann. Zum Beispiel lässt er im Oberflächenkurs Kistentrommeln bauen und vermittelt dadurch erste Erfahrungen mit Holz als Klangkörper.

Der Zufall half ihm, Anfang des Jahres ein Meisterstück aus der Königsdisziplin des Instrumentenbaus vorstellen zu können. Kursteilnehmer Jaoutat stammt aus einer Familie, die bereits seit drei Generationen Kurzhalslauten fertigt, die Oud oder Ud genannt werden. Sein Vater hat es damit in Damaskus zu einiger Bekanntheit gebracht und ihm kürzlich eins seiner wertvollen Stücke nach Deutschland geschickt.

Sein Deutsch ist noch nicht so gut, aber mit dem Google Translator gelang es Jaoutat, seinem Ausbilder die Herstellungstechniken zu erklären. Lars Bürschgens übersetzte es dann für die Gruppe und wies auf viele Details hin, die dem Fachmann sofort ins Auge fallen, zum Beispiel die aufwendig gefertigte umlaufende Furnier-Borte. Die Intarsien am Hals der Oud sind handgeschnitzt, während die Rosetten über den Schalllöchern auf der CNC-Maschine geschnitten wurden. Die arabischen Schriftzeichen auf der Front und am Fuß des Instruments stehen für den Namen des Instrumentenbauers, also Jaoutats Vater.

Wie die Oud professionell gespielt wird, zeigt der 21-Jährige lieber auf YouTube als dass er sich selbst daran versucht. Die Clips dokumentieren, dass dieses Instrument nicht der Vergangenheit angehört; junge Interpreten in ganz Europa und Nordamerika spielen es quer durch alle Musikrichtungen. Analog zur Gitarre gibt es natürlich auch E-Ouds.

So vielfältig die Musik, so vielfältig ist auch die Gestaltung der Instrumente. Jaoutats Bruder hat sich in Kanada einen eigenen Betrieb aufgebaut und kennzeichnet seine Ouds auch gern mal mit einer leuchtenden Farbe oder einem modernen Graffiti. Er ist für den Tischler-Azubi ein ebenso großes Vorbild wie sein Vater und sein Großvater. Jaoutat hat sich zum Ziel gesetzt, selbst auch Instrumentenbauer zu werden – ein richtig guter, auf den vielleicht eines Tages sogar mal ein berühmter Künstler aufmerksam wird.

Bevor es an die Königsdisziplin geht, steht aber zunächst die fundierte Ausbildung in den Grundlagen des Handwerks an. Jaoutat arbeitet für Schreinermeister Matthias Schmitz in Neuwerk, der sein Können ebenfalls von seinem Großvater und Vater gelernt hat, sich mit Familientraditionen also bestens auskennt.